Bundesverfassungsgericht bestätigt Wahlrechtsreform

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 30.07.2024 die Wahlrechtsreform der »Ampel-Koalition« weitgehend bestätigt.

Die Abschaffung der Überhang- und Ausgleichsmandate und deren Ersetzung durch die »Zweitstimmendeckung« sei mit der Verfassung vereinbar. Mit der Regelung legte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP fest, daß Direktmandate künftig nur dann zugeteilt werden, wenn sie durch die Zahl der Mandate, die der jeweiligen Partei nach Zweitstimmen zusteht, gedeckt ist. Dies führt dazu, daß Parteien, die mehr Direktmandate gewinnen als ihnen zustehen, nur so viele Direktmandate zugeteilt bekommen, als ihnen nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen.

Verworfen wurde durch das Bundesverfassungsgericht die Abschaffung der Grundmandatsklausel. Diese besagte, daß eine Partei auch dann in den Bundestag einzieht, wenn sie zwar weniger als fünf Prozent der Stimmen, dafür aber mindestens drei Direktmandate erzielt hatte. Experten der Union hatten in der Wahlrechtskommission diesen Schritt gefordert, der nun durch das Bundesverfassungsgericht verworfen wurde.

Das Bundesverfassungsgericht kam jedoch in dieser Sache zu einer problematischen Begründung. Geklagt hatten CSU und Linkspartei gegen die Abschaffung der Grundmandatsklause. Die Linkspartei kam bei der Bundestagswahl allein über die Grundmandatsklausel ins Parlament. Die CSU errang bei der letzten Bundestagswahl 5.2 Prozent und drohte, bei der nächsten Bundestagswahl ebenfalls nur über die Grundmandatsklausel in den Bundestag zu gelangen.

Das Verfassungsgericht urteilte, daß die CSU in ihren verfassungsmäßigen Rechten betroffen sei, die Linkspartei jedoch nicht und begründete dies so: Die CSU bildet seit Jahrzehnten mit der CDU im Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft. Diese komme nicht nur zum Zwecke der Regierungsbildung, sondern auch in der Opposition zusammen. Der Zweck der Sperrklausel liege darin, eine Zersplitterung und somit die Arbeitsunfähigkeit des Parlamentes zu verhindern. Diese Gefahr drohe angesichts der Fraktionsgemeinschaft zwischen CSU und CDU nicht. Die Linkspartei hingegen strebe keine Fraktionsgemeinschaft an und sei deshalb nicht in ihren Rechten betroffen.

Deutlicher ausgedrückt: Mit der Feststellung, daß die CSU durch die Abschaffung der Grundmandatsklausel in ihren verfassungsmäßigen Rechten beeinträchtigt sei und diese deshalb für sie weiterhin gelten müsse, entbindet das Bundesverfassungsgericht die CSU faktisch von der Sperrklausel. Weil die Linkspartei jedoch keine Fraktionsgemeinschaft bilde oder überhaupt nur anstrebe, sei diese durch die Streichung der Grundmandatsklausel nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten betroffen.

Der Wahlgesetzgeber könnte hieraus ein Wahlrecht entwickeln, bei dem die Grundmandatsklausel tatsächlich nur noch auf Parteien angewendet würde, die im Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft bilden, also eine Lex CSU, denn dies träfe nur auf diese zu. Das Ergebnis könnte sein, daß, wenn CSU und Linkspartei je auf 4.8 Prozent kommen und mindestens drei Direktmandate gewönnen, die CSU in den Bundestag einzöge und Linkspartei nicht. Bei knappen Wahlergebnissen könnten hiermit durchaus Mehrheiten verschoben werden, was wohl kaum mit der Chancengleichheit der Parteien und der Gleichheit der Wahl vereinbar wäre.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht erklärt, daß die jahrzehntelange Fraktionsgemeinschaft und die weiteren Umstände dieser Zusammenarbeit eine Ungleichbehandlung rechtfertige. Auch das Ziel, die Zersplitterung des Parlamentes zu vermeiden, rechtfertige den Eingriff, den die Sperrklausel in das Wahlergebnis vornimmt. Gleichwohl aber erscheint das Streben, die CSU im Parlament zu halten, als ein sehr einseitiges Privileg für diese eine Partei, zumal in der Geschichte der Bundesrepublik die CDU/CSU-Fraktion die einzige Fraktionsgemeinschaft geblieben ist.

Vorzugsweise sollte sich der Gesetzgeber nicht an diesem Irrweg orientieren, sondern tatsächlich die Grundmandatsklausel bei drei Direktmandaten für alle Parteien wieder einführen. Denn auch hier hat die Vergangenheit gezeigt, daß diese Regelung nicht zu einer Zersplitterung des Parlamentes geführt hat.

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